Radikale Nachfolge
„Wenn du vollkommen sein willst …”
Jesus hat Menschen in seine Nachfolge gerufen, und dieser Ruf war radikal. Von den Aposteln wird berichtet, dass sie auf Jesu Ruf hin alles stehen ließen und ohne Besitz und Familie mit ihm umherzogen. Dieser Ruf Jesu konnte die Grenze zur Überforderung überschreiten, wie wir in der Erzählung vom reichen Jüngling erfahren:
„Es kam ein Mann zu Jesus und fragte: Meister, was muss ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Er antwortete: Was fragst du mich nach dem Guten? Nur einer ist «der Gute». Wenn du aber das Leben erlangen willst, halte die Gebote! Darauf fragte er ihn: Welche? Jesus antwortete: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen; ehre Vater und Mutter! Und: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst! Der junge Mann erwiderte ihm: Alle diese Gebote habe ich befolgt. Was fehlt mir jetzt noch? Jesus antwortete ihm: Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach. Als der junge Mann das hörte, ging er traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen.” (Mt 19,16-22)]
Trotz seiner Härte hat Jesu Nachfolgeruf bis heute Menschen erreicht. Sie fanden sich von ihm persönlich ins Innerste angerufen und sind ihm kompromisslos gefolgt. Der ägyptische Wüstenvater Antonius hatte den Text vom reichen Jüngling im Evangelium gehört, er verstand ihn als Gottes Antwort auf sein Suchen und setzte ihn radikal um.
1 Der heilige Franziskus schlug den Text in der Bibel auf und verstand ihn als göttliche Bestätigung für seinen Wunsch einer totalen Hingabe.
2 Und gewiss wurde dieser Text noch für viele andere zum persönlichen Nachfolgeruf, – nicht nur für bekannte Heilige.
Schauen wir uns ein Beispiel aus dem US-amerikanischen Pittsburgh des beginnenden 20. Jahrhunderts genauer an:
Ein Beispiel radikaler Nachfolge
„Maurice Reuben erzählte, daß er einer wohlhabenden Familie entstammte und daß ihm alles, was die Welt bieten konnte, zur Verfügung gestanden habe. Das Geldverdienen war die Hauptsache seines Lebens gewesen. Er war Direktor der Firma Salomon & Reuben, eines der größten Warenhäuser Pittsburghs. Aber das Leben eines seiner Kunden machte einen so tiefen Eindruck auf ihn, daß er eines Tages zu ihm sagte: »Sie müssen schon als glücklicher Mensch auf die Welt gekommen sein.« – »Ja«, antwortete der Kunde, »bei meiner zweiten Geburt. Ich nahm den Herrn Jesus Christus als meinen Erlöser an, und dadurch wurde ich zum zweitenmal geboren: nämlich aus Gott. Vor dieser zweiten Geburt war ich nicht glücklicher als Sie.« Reuben war von diesem Zeugnis so bewegt, daß er ein Neues Testament kaufte. Beim Lesen beeindruckte ihn dann besonders die Tatsache, daß alle, die Jesus nachfolgten, Juden waren: Johannes der Täufer, der auf Jesus als das Lamm Gottes hinwies; Petrus, Jakobus und Johannes, die führenden Jünger – und andere. Dann kam er zu der Geschichte vom reichen Jüngling. Es war ein dramatisches Zusammentreffen: Ein junger Jude des zwanzigsten Jahrhunderts, voll religiöser Unruhe, las von der Begegnung des Heilands mit einem reichen Juden des ersten Jahrhunderts. Reuben sah die Begebenheit so an: Jesus hatte zu dem reichen Jüngling gesagt, er solle alle seine Habe verkaufen, um das ewige Leben zu ererben. Wie konnte er, Reuben, dann die Gabe des ewigen Lebens erhalten, ohne die gleiche Bedingung zu erfüllen? Dies war für ihn der kritische Punkt. Wenn er Jesu Jünger werden wollte, mußte er bereit sein, alles aufzugeben. Es war aber nun zu spät, sich zurückzuziehen; er hatte es erkannt, und er mußte folgen […]
Reuben setzte sich mit dieser Forderung gründlich auseinander und überschlug die Kosten. Vielleicht würde seine Frau ihn verlassen, sein Bruder ihn aus dem Geschäft weisen und kein einziger Jude ihn verstehen. Sein Entschluß stand dennoch fest: er wollte dabei bleiben, selbst wenn er alles verlieren würde. Dann geschah es eines Tages, auf dem Weg zum Warenhaus, daß er eine Stimme die Worte aus Johannes 14,6 zu ihm sagen hörte: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.« Blitzartig ging ihm die Wahrheit auf; er nahm Christus als seinen Erlöser an und drang im selben Augenblick zum ewigen Leben durch. Nach diesem Erlebnis konnte er nicht anders: er mußte seinem Bruder und anderen davon erzählen. Nach dem Willen seines Vaters sollte er, falls er seine Religion wechselte, sein ganzes Erbe verlieren. Aber sein Bruder bot ihm siebzigtausend Pfund an – nämlich seinen Anteil am Geschäft -, wenn er wegziehen und sich im Westen Amerikas, in Montana, niederlassen würde. Reuben erwiderte jedoch: »Ich habe das Heil in Pittsburgh gefunden, und ich will auch in Pittsburgh davon Zeugnis ablegen.«
Spät abends an diesem Samstag kamen Detektive und brachten ihn zur Polizeistation. Am Montag darauf besuchten ihn zwei Ärzte in seiner Zelle und befragten ihn über die Stimme, die er gehört hatte. »Zweifeln die etwa an meinem Verstand?« fragte er sich. Zwei Stunden später führten ihn zwei Wärter in einen Raum, in dem sich bereits neunundzwanzig geistesgestörte Personen befanden. Die Bitterkeit seiner Lage übermannte ihn. Bis dahin hatte er noch den inneren Sieg behalten; dies aber schien mehr, als er ertragen konnte. Er fiel vor seiner Pritsche auf die Knie und schüttete dem Herrn sein Herz aus. Wie lange er so betete, wußte er später nicht mehr. Er vergaß sich selbst dabei völlig und hatte eine Vision von Golgatha. Er wurde Zeuge jeder Einzelheit der Kreuzigung. Über dem Leiden des Heilands vergaß er seine eigenen Leiden, und während er so auf das Kreuz blickte, sagte der Herr zu ihm: »Muß ich das Kreuz allein tragen, und alle Welt geht frei aus?« Mit gebrochenem Herzen antwortete Reuben da: »Nein; es gibt ein Kreuz für jeden, und es gib auch ein Kreuz für mich.« Von dieser Stunde an war er ein neuer Mensch. Anstatt über seinen Aufenthalt an diesem Ort länger zu klagen, begann er nun für die anderen neunundzwanzig Insassen zu beten, und zum Herrn sagte er: »Laß mich leiden für Dich. Was Du auch immer für mich an Leiden zulassen wirst – nie wieder will ich klagen.«
Zwei Wochen später besuchte ihn sein Bruder und machte ihm Vorwürfe wegen seiner Unvernunft, sich an einen solchen Ort gebracht zu haben. »Willst du nicht endlich Vernunft annehmen?« sagte er. »Schau, daß du hier herauskommst, und komm nach Montana.« – »Gilt dieses Angebot denn noch immer? Dann ist nicht mein Gesundheitszustand, sondern irgend etwas anderes die Ursache, daß ich hier eingesperrt bin!« mutmaßte Reuben daraufhin scharfsinnig. Ein paar gläubige Freunde, mit denen er in Verbindung stand, veranlaßten sodann, daß die Angelegenheit untersucht wurde. Nach sechs Wochen wurde er schließlich entlassen. Die Sache kam alsdann vor Gericht. Der Richter befragte den Arzt, warum dieser Mann als geistesgestört eingewiesen worden war. »Weil er eine Stimme gehört hat«, erklärte der Arzt. »Hat nicht auch der Apostel Paulus eine Stimme gehört?« entgegnete der Richter, der ein Christ war. »Dies ist eine Schande für die amerikanische Flagge«, rief er und legte Reuben nahe, alle diejenigen zu belangen, die etwas mit dem Fall zu tun hatten. »Ich werde nie jemanden verklagen«, erwiderte Reuben. »Etwas anderes werde ich aber tun: ich werde für sie alle beten.« Darauf ging er durch den Gerichtssaal und bot seinem Bruder die Hand. Dieser wandte ihm jedoch den Rücken. Er trat auf seine Frau zu, aber auch sie tat dasselbe. Welch einen Frieden aber hatte er in seiner Seele!
Er mietete dann einen kleinen Raum in Chicago, wo er allein mit dem Herrn lebte und viele Menschen für Ihn gewann. Dort blieb er zwei Jahre: Während dieser ganzen Zeit konnte er sich kaum einmal eine ordentliche Mahlzeit leisten. Ein Jahr später kam seine Frau, um ihn in einer Zeltlager-Versammlung zu hören, und bekehrte sich. Damals sah er zum erstenmal seinen kleinen Jungen, der nach der Trennung von seiner Frau geboren war. Seine Frau war nunmehr gewillt, wieder mit ihm zusammenzuleben, wenn er nur wie andere Christen seinen Unterhalt auf normale Weise verdienen wollte. Sein Herz schlug zärtlich für den kleinen Jungen, und diese Prüfung war noch größer als die erste. Die Forderung seiner Frau erschien so vernünftig, aber er wußte, daß der Herr ihn aus der Welt heraus in dieses besondere Glaubensleben gerufen hatte. Er schrie zu Gott, aber die einzige Antwort, die er erhielt, war: »Zurück nach Ägypten.« Das genügte; von neuem umfing er das Kreuz. Er brachte seine Frau und das Kind zur Bahn. Es war eine teuer erkaufte Erfahrung. Aber als der Zug die Station verließ, schien es, als ob Gott seine Seele mit aller Freude des Himmels erfüllte. Er sah seine Frau in den nächsten drei Jahren nicht wieder. Dann wurde auch ihr in einer Zeltversammlung der wahre Sinn des Kreuzes offenbart. Nun gab sie folgendes Zeugnis: Wenn sie auch vorher das opfervolle Leben ihres Mannes nicht hatte teilen wollen, so war sie doch jetzt bereit, ihr Brot von Tür zu Tür zu erbetteln, wenn es nach Gottes Willen und zu Seiner Ehre so geschehen sollte. Sie lebten von da an wieder zusammen, und sie wurde eine gesegnete Mitarbeiterin ihres Mannes.”
Fortsetzung folgt….
Halt finden in einer verrückten Welt
Wie kaum eine Epoche vor uns ist unsere Lebenswirklichkeit von der Auflösung gewohnter Strukturen geprägt. Seit langem bestehende Normen und Werte werden in Frage gestellt. Besonders wir Christen blicken deshalb oft sorgenvoll in die Zukunft. Wie gehen wir am besten mit dieser Verunsicherung um? Wie uns die sieben Gaben des Heilige Geists Orientierung in Zeiten großer Veränderungen geben können.
Zehn Lügen, die viele Christen von sich glauben.
Zehn Lügen, die viele Christen von sich glauben.
Radikale Nachfolge – Teil3
Jeder Mensch ist dazu bestimmt, in Gottes Herrlichkeit einzugehen