Radikale Nachfolge – Teil3

Der Weg der Christusnachfolge zwischen Gnade und eigenem Tun

 
Dieser Unterschied, auf den alles ankommt, ist theoretisch leicht einsichtig, – in der Praxis aber oft nur schwer zu unterscheiden. Denn unser Lebensweg zwischen Heil und Unheil verläuft nicht nur in einer Pfeilrichtung zwischen Gnadenerfahrung und eigenem Tun, sondern in einer fortgesetzten Spiralbewegung zwischen beidem. Dass ein Mensch eine umstürzende Gotteserfahrung macht und daraufhin in einem radikalen Willensakt sein ganzes Leben umwirft, ist ein Grenzfall. Selbst wenn das Ereignis eines befolgten Rufes spektakulär ist und ein ganzes Leben bestimmen kann, gibt es vorher und nachher viele Erfahrungen und Entscheidungen, die für das Verhältnis zu Gott ausschlaggebend sind. Nachfolge ist wesentlich ein Weg, und der besteht aus vielen Stationen. Eine Gnadenerfahrung ermöglicht einen Schritt im Glauben. Und wenn dieser Schritt getan wird, dann werden dadurch neue und tiefere Gnadenerfahrungen möglich. Auf diese Weise geht also auch ein eigenes Tun der Erfahrung von Gnade voraus, und so ist es jederzeit möglich, dass Gnadenerfahrungen auch als Verdienst gesehen werden und so den eigenen Stolz nähren. Dass man damit auf die Nase fällt, ist nur eine harmlose Folge dieses Irrwegs, – sie führt schnell in die Haltung demütigen Empfangens zurück. Weit schlimmer ist eine Selbstimmunisierung gegen Gottes Gnade, wie sie in unserer Gegengeschichte von der Perle anklingt. Die gute und die schlechte Geschichte von der Perle markieren nur die Extrempositionen in einem weiten Kontinuum, in dem der Christus Nachfolgende sich bewegt, – irgendwo zwischen Stolz und reiner Dankbarkeit. Und die rechte Unterscheidung kann zuweilen schwierig sein; wie ist sie überhaupt möglich?
 
Exemplarische Geschichten radikaler Nachfolge können uns hier weiterhelfen, – wenn sie genau genug sind, und wenn wir genau genug hinschauen. Schauen wir uns die Bekehrungsgeschichte von Maurice Reuben nochmals an. Kurz zusammengefasst besteht sie in einer massiven Erfahrung von Gottes Wort, auf die Reuben kompromisslos antwortet. Was zeigt uns, dass Reuben mit diesem Schritt nicht den Weg der schlechten Perlengeschichte gegangen ist? Dass er einem Menschen mit glücklicher Ausstrahlung begegnet ist, hätte ihn ja auch auf die Spur der schlechten Perlengeschichte bringen können: Er hätte dann alles weggegeben, um auch so glücklich zu werden wie der Mann, den er getroffen hätte. Ein solches Verhalten wäre aber ziemlich unwahrscheinlich gewesen und hätte dem nüchtern kalkulierenden Kaufmann in keiner Weise entsprochen. Wer wirft denn schon alles weg, nur weil er einmal einen glücklichen Menschen trifft? Die Geschichte wird erst dadurch nachvollziehbar, dass sie nicht von einer, sondern von mehreren Gnadenerfahrungen begleitet wird, – auf die hin Reuben jeweils mit größter Konsequenz reagiert.
 
G (=Gnadenerfahrung):
 
Reuben begegnet einem glücklichen Menschen, der bezeugt, dass sein Glück von einer Christusbekehrung herrührt. Reuben wird von diesem Zeugnis bewegt.
 
T (=Tun):
 
Reuben kauft sich ein Neues Testament und beginnt es mit großer Aufmerksamkeit zu lesen.
 
G+R (=Gnadenerfahrung, verbunden mit Ruf):
 
Reuben wird von den Texten sehr angesprochen (vor allem davon, dass die Jesus Nachfolgenden Juden sind); dann stößt er auf die Geschichte vom reichen Jüngling. Er spürt, dass sie ihn betrifft.
 
T: „Reuben setzt sich mit dieser Forderung gründlich auseinander und überschlägt die Kosten.” Er entschließt sich, dem Ruf zu entsprechen.
 
G: Reuben hört eine Stimme: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich” (Joh 14,6), begleitet von einer blitzartigen Einsicht.
 
T: „Er nahm Christus als seinen Erlöser an …”
 
G: „… und drang im selben Augenblick zum ewigen Leben durch.”
 
T: Reuben bezeugt seine Erfahrungen. Dadurch gerät er in zunehmende Schwierigkeiten.
 
V1 (= 1. Versuchung):
 
Ein Weg tut sich ihm auf: er könnte den christlichen Weg gehen, ohne alles zu verlieren, – indem er nach Montana geht.
 
T: Kompromisslos folgt er dem Weg, der sich ihm gezeigt hat: alles weggeben und in Pittsburgh von Christus Zeugnis ablegen. Schließlich gerät 
 
G+R: Reuben hat eine starke Erfahrung vom Gekreuzigten auf Golgatha. Er wird gefragt, ob er bereit ist, in eine Schicksalsgemeinschaft mit dem Gekreuzigten einzutreten.
 
T: Reuben willigt aus ganzem Herzen ein.
 
G: „Von dieser Stunde an war er ein neuer Mensch. Anstatt über seinen Aufenthalt an diesem Ort [Psychiatrie] länger zu klagen, begann er nun für die anderen neunundzwanzig Insassen zu beten”
 
G+T: Reuben wird aus der Psychiatrie entlassen und bekommt Recht zugesprochen. Bei alldem agiert er selber in vernünftiger aber zugleich barmherziger Weise.
 
G: Sein Versöhnungsangebot wird zwar von seinem Bruder und seiner Frau ausgeschlagen; „welch einen Frieden aber hatte er in seiner Seele.”
 
T(+G): Zwei Jahre lang folgt er in äußerster Armut seinem Ruf.
 
G: Er begegnet seiner Frau, die zur Bekehrung kommt. Sie will – zusammen mit ihrem gemeinsamen Kind – wieder mit ihm leben…
 
V2 (= 2. Versuchung):
 
… wenn er nur wie andere Christen seinen Unterhalt auf normale Weise verdienen wollte. „Sein Herz schlug zärtlich für den kleinen Jungen, und diese Prüfung war noch größer als die erste. Die Forderung seiner Frau erschien so vernünftig, aber er wußte, dass der Herr ihn aus der Welt heraus in dieses besondere Glaubensleben gerufen hatte.”
 
T: „Er schrie zu Gott…”
 
R: „… aber die einzige Antwort, die er erhielt, war: „Zurück nach Ägypten”
 
T: „Von neuem umfing er das Kreuz. Er brachte seine Frau und das Kind zur Bahn …”
 
G: „Aber als der Zug die Station verließ, schien es, als ob Gott seine Seele mit aller Freude des Himmels erfüllte.”
 
P (=Prüfung):
 
Er sah seine Frau in den nächsten drei Jahren nicht wieder.
 
E: Dann kommt auch seine Frau zu einer tiefen Glaubenserfahrung. „Sie lebten von da an wieder zusammen, und sie wurde eine gesegnete Mitarbeiterin ihres Mannes”.
 
Reubens Verhalten war radikal, aber nicht fanatisch, – auch wenn er für die meisten seiner Mitmenschen (auch für seine Frau) als verrückt und fanatisch erscheinen musste. Der schmale Gratweg zwischen Radikalität und Fanatismus wird markiert durch fortlaufende Gnadenerfahrungen, die seinen Weg rechtfertigen und bestätigen. Offenbar geriet Reuben auch nicht auf die Abwege einer stolzen Leistungsethik. Vor dieser Gefahr wurde er bewahrt, weil er den Kreuzweg einer radikalen Entmächtigung – in Armut und Verachtung – geführt wurde. Wäre er stattdessen sogleich von Bewunderern für seinen radikalen Weg umgeben gewesen, so wäre das wohl eine gefährliche Versuchung gewesen.
 
Was wir an Reubens Geschichte an Wegerfahrungen der Gnade aufzeigten, ließe sich auch an anderen Lebensgeschichten radikaler Nachfolge zeigen. Und wir finden es in den Evangelien, die die Nachfolge der Jünger als einen Weg beschreiben. Die Initiative zur gelingenden Nachfolge geht stets von Jesus selber aus: er ist es, der die Menschen beruft.6 Wenn jemand aus eigenen Stücken in die Nachfolge wollte, machte Jesus ihn auf die Unleistbarkeit der Anforderungen aufmerksam. Und diese Vorgängigkeit der Berufung durch Jesus gilt nicht nur für den Anfang, sondern auch für spätere Phasen des Nachfolgewegs.
 
Das wird vor allem bei Petrus deutlich. Als er Jesus als Messias bekennt, erfährt er eine unvergleichliche Bestätigung seiner vorrangigen Berufung. Wenig später will er mit der eben errungenen Autorität Jesus davon abhalten, nach Jerusalem zu gehen und dort zu sterben. Daraufhin ruft ihn Jesus harsch auf den Weg der Nachfolge zurück: „Geh hinter mich, Satan” (Mt 16,23)8, und zwar mit genau denselben Worten, mit denen er Petrus anfänglich berufen hatte. Später will Petrus – nun im entgegengesetzten Extrem – eigenmächtig Jesus in sein Leiden nachfolgen, und Jesus sagt ihm, dass er das jetzt noch nicht kann. Sein dreimaliger Verrat konfrontiert Petrus auf erschütternde Weise mit seinem eigenen Unvermögen, bis er schließlich vom Auferstandenen erneut in die Nachfolge gerufen wird.
 
Christus nachfolgen – wie geht das? – Unsere bisherigen Überlegungen haben uns bereits auf den zentralsten Punkt gebracht: Wir können es nicht aus eigener Kraft und Anstrengung, sondern nur mit Gottes Gnade. Was aber können wir dann noch von uns her tun, wenn wir diese Gnade nicht verspüren? Müssen oder dürfen wir uns dann untätig zurücklehnen? Heißt das dann vielleicht, dass wir gar nicht zur Nachfolge Christi berufen sind, schon gar nicht zur radikalen Nachfolge?
 
Bevor wir untersuchen, was wir zur Nachfolge tun können, wenn doch das Entscheidende von Gott kommt, müssen wir uns also der grundsätzlicheren Frage stellen, wer denn überhaupt zur Jesusnachfolge berufen ist.
 

Die Dringlichkeit einer radikalen Nachfolge für jeden Christen

 
Nachfolge Christi ist ein Weg – nach christlichem Verständnis: der Weg -, der uns das eigentliche Ziel unseres Lebens – die himmlische Herrlichkeit Gottes – erreichen lässt. Die Frage, ob und wie Nachfolge Christi einzelne Menschen – und vor allem: mich selber – betrifft, müssen wir im Blick auf unser eigentliches und letztes Lebensziel beantworten. Auf dieses ist deshalb zuerst einzugehen.
 

Jeder Mensch ist dazu bestimmt, in Gottes Herrlichkeit einzugehen

 

Fortsetzung folgt

Halt finden in einer verrückten Welt

Wie kaum eine Epoche vor uns ist unsere Lebenswirklichkeit von der Auflösung gewohnter Strukturen geprägt. Seit langem bestehende Normen und Werte werden in Frage gestellt. Besonders wir Christen blicken deshalb oft sorgenvoll in die Zukunft. Wie gehen wir am besten mit dieser Verunsicherung um? Wie uns die sieben Gaben des Heilige Geists Orientierung in Zeiten großer Veränderungen geben können.

Zehn Lügen, die viele Christen von sich glauben.

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Radikale Nachfolge – Teil2

Was kann einen Menschen zu solch radikaler Nachfolge bewegen? Diese Frage bricht auf an den Lebensgeschichten eines Maurice Reuben und Rees Howells, von Franziskus und Antonius und bei den Jüngern, die auf den Ruf Jesu hin alles stehen ließen und Jesus folgten. Halten wir uns für eine Antwort zunächst an den ausführlichen Text über Reuben: Den Anfang bildete nicht eine radikale Aufforderung, sondern eine Erfahrung von göttlicher Fülle.

Radikale Nachfolge

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